Schreiben für das Web: Kardinal-Tugenden und Todsünden
Wussten Sie, dass 80% aller Web-User Texte im Web nicht lesen, sondern „scannen?“ Sind Sie wirklich 100% sicher, dass Ihre Texte auch so verstanden werden, wie Sie es möchten? Haben Sie den Begriff „Meta-Informationen“ schon mal gehört?
Antworten auf diese Fragen – und mehr – wollen wir Ihnen hier mit unseren zehn Grundregeln für gutes Schreiben im Web geben.
Kurz ein paar Grundlagen
Jakob Nielsen, bekannter amerikanischer Usability-Experte, nennt es „Information Pollution“ (Informations-Umweltverschmutzung), und vermutlich haben Sie auch bereits eine ähnliche Erfahrung gemacht: Viele Websites sind überladen mit viel zu langen Texten, die anscheinend direkt aus dem letzten Geschäftsbericht oder der neuesten Marketing-Präsentation entnommen wurden. Und meistens genau niemand interessieren.
Endlos lange Texte, ohne Struktur, kaum Links, sterbenslangweilig. Oft scheint es gerade so, als wollten manche Websites mit vielen Worten klar machen, dass sie nichts zu sagen haben. Das Resultat: Frustrierte Besucher, die nicht finden wonach sie suchen – und deshalb zu Konkurrenz-Websites abwandern.
Der Grund allen Übels: Viel zu oft noch wird eine Website als verlängerter Arm einer Print-Anzeige oder Marketing-Broschüre gesehen. Dabei wird jedoch vergessen, dass sich das Medium grundlegend von anderen unterscheidet: Rund 80% aller User lesen den Text einer Website nicht, sondern scannen ihn, d.h. sie lesen nur Stichwörter und springen von Absatz zu Absatz, von Überschrift zu Überschrift.
Dazu kommt, dass ein Monitor sich nach wie vor wesentlich schlechter für das Lesen langer Texte eignet als bedrucktes Papier, und die Lesegeschwindigkeit auch tatsächlich um rund 25% geringer ist.
Beides hat weitreichende Folgen für die Strukturierung und Gestaltung der Texte einer Website, wollen Sie die Besucher auf Ihrer Website festhalten – und nicht vergraulen.
Die wichtigsten zehn Grundregeln dafür wollen wir Ihnen hier kurz vorstellen.
1. Schreiben Sie für Ihre Zielgruppe. Wirklich!
Kurz gesagt: Es geht um Ihre Zielgruppe, nicht um Sie. Schreiben Sie für Ihre Leser, nicht für Ihr Ego. Oder wie es McGovern auf den Punkt bringt: „Writing effectively is not about showing off. It’s about communicating.“ (Beim effektiven Schreiben geht es nicht um’s Angeben. Es geht um Kommunikation).
Web-User sind ungeduldig und kritisch. Sie besuchen Ihre Website, um möglichst rasch die Antwort auf eine Frage oder sonst eine Information zu finden. Deshalb reagieren Sie im Web besonders verärgert auf „Marketing-Bullshit“ – eine Website ist kein Anzeigentext!
Verfassen Sie Ihre Texte also vom Standpunkt Ihrer Zielgruppe aus: Was interessiert Ihre Besucher? Was wollen diese wissen, und was nicht?
Diese Zielgruppen-Orientierung geht weit über den reinen Inhalt hinaus; es geht dabei ebenso um Wortwahl, Schreibstil oder die Tonalität Ihrer Texte.
Tipp: Wann haben Sie sich das letzte Mal mit Ihrer Zielgruppe unterhalten? Wissen Sie wirklich, was Ihre Zielgruppe von Ihnen hören will? Gehen Sie doch einfach in den nächsten Supermarkt (oder wo sich Ihre Zielgruppe auch immer befindet) und reden Sie mit Ihnen. Sie werden überrascht sein (und es kostet nur ein paar Minuten)!
2. Halten Sie sich kurz.
Gehen Sie respektvoll mit der Zeit Ihrer Besucher um. Das wichtigste Ziel ist es, den Besucher mit gerade der Information zu versorgen, die er benötigt. Nicht mehr, und nicht weniger.
Sonst laufen sie Gefahr, dass Ihr Besucher den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht und zwar vielleicht viel Zeit auf Ihrer Website verbringt, ohne jedoch zu finden, wonach er sucht. Damit ist jedoch keinem geholfen.
Gerade im Web liegt die Würze in der Kürze. Als Faustregel gilt: Die Texte auf einer Website sollten um ein Drittel bis zur Hälfte kürzer sein als der gleiche Text in einem gedruckten Medium (Ja, das heißt kürzen!).
Das wird noch verstärkt durch die zunehmende Nutzung von Smartphones: Je kleiner der Bildschirm, umso kürzer sollte der Text sein.
3. Besser kleine Häppchen als alles auf einmal.
Helfen Sie dem Leser, die für ihn wichtigen Informationen möglichst rasch zu finden. Teilen Sie Ihre Texte in appetitliche „Häppchen“ auf, heben Sie Wichtiges optisch hervor, arbeiten Sie mit Symbolen (z.B. einem stilisierten Rufzeichen zur Kennzeichnung eines Hinweises).
Tipp: Arbeiten Sie mit Zwischen-Überschriften; das kommt erstens dem „Scannen“ der Leser sehr entgegen und bringt zweitens fast automatisch eine logische Struktur in Ihre Texte. Das Web bietet eine unschlagbare, einzigartige Möglichkeit, Inhalte aufzuteilen ohne an Tiefe zu verlieren: Links!
Teilen Sie längere Texte auf mehrere Seiten auf, wobei Sie anfangs nur eine Übersicht geben – und Links zu den weiterführenden Seiten anbieten. Jede Seite kann so kurz und prägnant bleiben, während die gesamte Website (die Gesamtzahl der miteinander verlinkten Seiten) mehr Informationen enthalten kann als jeder gedruckte Artikel es vermag. Auf diese Weise kann sich jeder Leser die Information raussuchen, die ihn interessiert.
Tipp: Bei der Aufteilung ist jedoch Vorsicht geboten: Auf einer Website können Sie kaum bestimmen, in welcher Reihenfolge Ihr Besucher die Inhalte liest; schließlich kann er auf jeder beliebigen Seite einsteigen (z.B. über eine Suchmaschine) und beliebige Links anklicken, ohne dass sie das verhindern können (und sollen). Versuchen Sie daher, jede Seite möglichst eigenständig zu schreiben, ohne allzu viele implizite Annahmen über die Seiten, die der Leser vorher gelesen – oder ignoriert – hat.
4. Verwenden Sie das „Prinzip der abnehmenden Wichtigkeit“.
Bei Pressemeldungen hat es sich längst etabliert: Das Prinzip der abnehmenden Wichtigkeit besagt lediglich, dass sie zuerst mit den wichtigen Informationen beginnen und sich die „nice to know“ Details für den Schluss aufheben sollten.
Auf diese Weise können Sie sicherstellen, dass der Leser die Schlüsselinformationen auch dann bekommen hat, wenn er nicht den ganzen Artikel liest.
Tipp: Als besonders hilfreich haben sich Zusammenfassungen am Anfang des Artikels erwiesen. Sie sollen einen Überblick über den zu erwartenden Inhalt geben und neugierig machen.
5. Schreiben Sie aktiv.
Das Web ist, im Gegensatz zu den meisten klassischen Medien, ein sehr aktives Medium.
Sie wollen, dass die Besucher Ihrer Website etwas tun, zum Beispiel eine Bestellung aufgeben, sich für einen Newsletter anmelden oder sich an einer Umfrage beteiligen? Ihre Texte sollten das widerspiegeln!
Schreiben Sie daher aktiv. Bleiben Sie kurz und bündig. Machen Sie klar, worum es Ihnen geht.
6. Denken Sie an Meta-Informationen.
Ihre Texte werden Sie nicht nur auf Ihrer Website wieder finden. Die Texte oder zumindest Stichwörter werden durch Suchmaschinen indiziert und in Datenbanken gespeichert. Meta-Informationen wie Seitentitel, Überschriften oder die sog. Meta-Tags (allg. Informationen über eine Web-Seite wie z.B. Sprache oder Autor) helfen bei der Zuordnung und sorgen dafür, dass Ihre Informationen gefunden und im richtigen Zusammenhang wiedergegeben werden.
Tipp: Sie können die Meta-Tags leicht finden, indem Sie Ihre Website aufrufen und dann im Menü „Ansicht“ den Befehl „Quelltext anzeigen“ (oder ähnlich) aufrufen. Es wird daraufhin der HTML-Code Ihrer Website angezeigt; die Meta-Tags finden Sie ganz am Anfang der Seite in der „Head“-Sektion.
Das ist sehr wichtig: Mehr als die Hälfte aller Web-User navigiert mit Hilfe einer Suchmaschine durch das Web. Wenn Ihre Texte nicht gefunden werden oder der Zusammenhang unklar ist, haben Sie bereits verloren.
Sorgen Sie daher dafür, dass die richtigen Schlüsselwörter in Ihren Texten vorkommen (das gilt ganz besonders für den Einleitungstext auf Ihrer Homepage! Niemals sollte dieser Text als Grafik wiedergegeben werden!), legen Sie Augenmerk auf Seitentitel und andere Meta-Informationen und überprüfen Sie die Metatags.
7. Auch das Layout gehört dazu.
Inhalte bestehen nicht nur aus den Zeichen, die Sie geschrieben haben. Auch das Design und das Layout haben einen großen Einfluss auf Lesbarkeit und Übersichtlichkeit Ihrer Inhalte. Dazu gehören sowohl Hervorhebungen im Text (fett, kursiv, verschiedene Farben), als auch allgemeine Design-Vorgaben wie Farbflächen, Symbole, Einrückungen oder Listen. Solche graphische Elemente führen den Besucher durch die Seite, steuern Blickverläufe, trennen Themen und heben Wichtiges hervor. Sie verstärken die Struktur und unterstützen das Scannen der Texte.
Tipp: Links fallen schon deshalb auf, weil sie meistens unterstrichen und/oder farblich hervorgehoben sind (jedenfalls sollten sie das sein). Verwenden Sie Links daher gleichzeitig als aussagekräftige Schlüsselwörter – so kann der Leser sofort erkennen, ob sich ein Link für ihn lohnt oder nicht.
8. Überarbeiten. Nochmals überarbeiten. Und dann noch mal überarbeiten.
Lassen Sie die Erstversion Ihres Pulitzerpreis-verdächtigen Artikels ein paar Tage liegen, und überarbeiten Sie ihn dann mit dem kritischen Abstand, den ein wenig Zeit mit sich bringt.
Stellen Sie sich dabei ein paar kritische Fragen:
- Ist der Text klar? Versteht ihn die Zielgruppe?
- Gibt es einen kürzeren oder einfacheren Weg, um das Geschriebene auszudrücken?
- Versteht man die Hauptbotschaft, auch wenn man „querliest“, nur die Headlines scannt oder nur den ersten Absatz liest?
Tipp: Lassen Sie Ihren fertigen Text durch eine dritte Person (Mitarbeiter, Ehepartner) lesen – versteht diese Person den Text so, wie Sie es gemeint haben?
9. Denken Sie an die Druck-Version.
Nicht jeder Besucher will Ihre Texte hier und jetzt lesen – sondern vielleicht später. Das sollten Sie natürlich so einfach wie möglich machen und eine druckfähige Version Ihres Artikels anbieten, in der alle Informationen auf einer einzigen, druckoptimierten, Seite zusammengestellt sind.
Dazu können Sie einerseits ein PDF-Dokument anbieten (allerdings Achtung dabei auf die Smartphone-Nutzung!) oder die Druckseiten über CSS (Cascading Style Sheets) steuern.
10. Experimentieren Sie! Verbessern Sie!
Im Gegensatz zu den klassischen Medien ist die Arbeit bei einer Website nicht getan, wenn sie „online“ geht: Inhalte müssen erneuert werden, zeitlich begrenzte Aktionen ausgetauscht und Funktionalitäten erweitert werden, um die Site auch langfristig für ihre Besucher interessant zu halten.
Diese Aktualisierung verlangt nach entsprechenden Mitteln und adäquaten Prozessen: Es sollte frühzeitig definiert werden, welche Teile der Site in welchen Abständen durch wen aktualisiert oder erweitert werden. Das gilt selbstverständlich auch und vor allem für die Texte Ihrer Website.
Tipp: Ein einfaches, aber sehr effizientes und zielführendes Instrument ist ein Content-Plan: In einem solchen Plan wird schon bei der Konzeption der Website festgelegt, welche Teile der Site in welchen Abständen durch wen aktualisiert oder erweitert werden. Auf diese Weise können die Aktualisierungen abgestimmt und rechtzeitig geplant werden.
Kein Text ist perfekt. Das muss er auch nicht sein, doch Sie können ihn verbessern. Der vielleicht wichtigste Tipp ist: Experimentieren Sie! Probieren Sie verschiedene Schreibstile oder Versionen aus, variieren Sie graphische Elemente oder verändern Sie die Struktur.
Und dann überprüfen Sie, welche Versionen besser ankommen (z.B. über die Klicks auf den Artikel, zu ersehen aus Ihrer Website-Statistik, oder über eines der vielen Testing-Tools). Dann verwenden Sie die Ergebniss, um Ihre Texte weiter zu verbessern.
Sie werden über den Erfolg erstaunt sein! Und ihre Leser werden es Ihnen danken. Versprochen!